Beim Klettern bleiben die Rollstühle unten!
Para-Bergsportwoche am Dachstein

Wir sitzen an der Frühstückstafel der Pension Moser in Rohrmoos. Vor uns, durch ein großes Panoramafenster blickend, breitet sich auf der gegenüberliegenden Ennstalseite das gigantische, bis zu 3.000 m hohe Massiv des Dachsteins aus. Die Morgensonne scheint am blauen Himmel und gibt den Kalksteinfelsen eine leicht rötliche Farbe, während der Gipfel von kleinen weißen Wölkchen umspielt wird.

Wir, das sind 9 Mitglieder der Handicap-Klettergruppe Köln des Deutschen Alpenvereins die sich auf das Abenteuer einer Para-Bergsportwoche eingelassen haben.

Sechs von uns haben Multiple Sklerose in den verschiedensten Stadien und Ute ist halbseitig gelähmt. Das Abenteuer begann bereits vorgestern bei der zehnstündigen Anreise mit dem Zug von Köln nach Schladming. Mit vier Rollstühlen, einem Rollator und einer Unmenge Gepäck stellten wir uns und die Deutsche- bzw. Österreichische Bahn vor eine echte Herausforderung. Während die Organisation und Durchführung hier vor Ort vom Verein Freizeit PSO (PSO steht für Paraspecial Outdoorsport) übernommen wird, haben Petra und Falko, beide Rollstuhlfahrer, sich um An- und Rückreise gekümmert.

Gestern haben wir bereits eine ca. 8 km lange Almwanderung durch das Untertal bis zu den Riesach-Wasserfällen unternommen und dabei die Leute von PSO kennengelernt. Heute steht der Wald-Hochseilgarten in Ramsau sowie ein Besuch des Dachsteins auf dem Programm. Während unsere vier Fußgänger nach Einweisung in den Gebrauch des Klettersteigsets den grünen, blauen, roten und schwarzen Parcour des Hochseilgartens je nach körperlichem Vermögen absolvieren, unternehmen wir einen Flug mit dem Flying Fox, einer recht langen und hohen Seilrutsche. Hat man sich einmal überwunden, vom Startpodest ab zu springen, ist der Flug dann das reinste Vergnügen. Nachdem auch wir uns an dem grünen, dem leichtesten Parcour versucht und uns von Baum zu Baum gehangelt haben, fahren wir noch schnell mit der Südwand-Seilbahn auf den Dachstein, da für heute Nachmittag heftige Gewitter angesagt sind.

Diese Fahrt ist weniger eine körperliche, denn eine psychologische Grenzerfahrung, da die Seilbahn ohne jegliche Zwischenstütze direkt von der Talstation ca. 1.000 Höhenmeter über steile und abgrundtiefe Felswände zur Bergstation führt. Aber in der Gemeinschaft der Gruppe überleben wir auch diese Fahrt problemlos.

Belohnt werden wir mit einer Megaaussicht auf das Tal der Enns und die Niederen Tauern. Dieses Erlebnis und die psychologische Angstüberwindung werden noch verstärkt durch die Begehung eines Skywalks und das Überqueren einer Hängebrücke zwischen den Felsen. Während sich unter uns der Schladminger Gletscher ausbreitet und die Ortschaften des Ennstals sich in der Tiefe verlieren, sehen wir in der Ferne bereits das Gewitter mit seinen pechschwarzen blitzdurchzuckten Wolkenwänden aufziehen. Noch gerade rechtzeitig, bevor das Gewitter losbricht, erreichen wir nach der Talfahrt unsere Pension.

Für morgen, Mittwoch, ist ein "Ruhetag" eingeplant. Falko, der die Gegend hier von früheren Urlauben bereits kennt, bietet eine Wanderung von Rohrmoos zum Untertal und weiter durch die Talbachklamm nach Schladming an. Dieser Weg ist barrierefrei und geht fast 300 Höhenmeter ausschließlich bergab. Aufgrund der Regenfälle in der vergangenen Woche und dem Gewitter letzte Nacht wälzen sich riesige Wassermassen die Klamm talwärts hinunter. Wir werden Zeuge der Urgewalten des Wassers. Nach einem kleinen Bummel durch Schladming fahren wir noch mit der Seilbahn zum Kaffeetrinken auf die 2000 m hohe Planai, den Hausberg von Schladming. Trotz der recht kleinen Gondeln ist die Mitnahme unserer drei Rollstühle kein Problem. Anschließend geht es mit dem Maxitaxi zurück zu unserer Pension.

Der nächste Morgen, schon wieder super Wetter! Mensch haben wir ein Glück! Wir fahren eine kleine Mautstraße auf den gut 2000 m hohen Stoderzinken, wo Sabine die Obfrau von PSO und Fritz unser Bergführer schon frühmorgens kurz unterhalb des Gipfels einige Kletterrouten im 3. - 5. Grad für uns eingerichtet haben.

Dort klettern wir je nach Bedarf mit oder ohne Fritz als Beikletterer und – wenn gar nichts mehr geht – durch einen Flaschenzug gesichert, bis wir das Gefühl haben, dass uns unsere Beine und Arme abfallen.

Zum Abschluss unserer Woche werden wir morgen noch eine 8 km lange Rafting-Tour auf der sehr viel Wasser führenden Enns unternehmen. In zwei Schlauchbooten, bekleidet mit Neopreneanzug, Schwimmweste und Helm, stürzen wir uns in die Fluten. Ein wenn auch körperlich nicht sehr anstrengendes, so doch sehr feuchtes Unternehmen. Nach einem kurzen Wildwasserbad in der Enns lassen wir die Woche beim Grillen am Ennsufer, während wir unsere Erfahrungen austauschen, ausklingen.

Für viele von uns war diese Woche ein einmaliges Erlebnis. Sie zeigt uns zum wiederholten Mal, dass auch mit Behinderung vieles möglich ist, wenn wir nur den Mut aufbringen, uns auf den Weg zu machen. Lebensqualität und Selbstbestimmtheit liegen in unserer eigenen Hand. Es reicht nicht aus, Träume zu haben, sondern wir müssen sie auch tun, um nicht irgendwann feststellen zu müssen, was wir alles hätten tun können.

Weitere Eindrücke zum Download finden Sie hier!

Die Gruppe hat diese Reise mit großer Unterstützung von PSO (Verein für Freizeit Para-Spezial-Outdoorsports) durchgeführt.
Lust auf eine Bergtour bekommen?

Hier die Kontaktdaten:
Verein für Freizeit Para-Spezial-Outdoorsports
Schwaigerweg 19
8971 Rohrmoos/Östereích
Telefon: +43 650 90 16 294
Mail: info@a9ba6d78629741c3b773580d9eb1bee7freizeit-pso.com
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