Wenn nicht jetzt – wann dann?!

Also: Ich besitze seit ungefähr zwei Jahren einen Rollstuhl.
Bis vor einem halben Jahr fristete er sein Dasein unbeachtet – besser gesagt „missachtet“ - in meinen Keller und verstaubte. Ich kann, zum Glück , noch einigermaßen gehen.


Meine Einstellung zum Rolli änderte sich, als ich Anfang 2011 wieder einmal in Reha in Bad Wildbad war. Dort sah ich junge Männer, die mit ihrem Rolli sportlich und geschickt durch das Haus düsten. Einer konnte  z.B. sogar in einem Affentempo auf den Hinterrädern durch die Flure flitzen. Booh, das hat mich sehr beeindruckt!

Ich beschloss: Wenn ich schon irgendwann einmal größtenteils im Rolli sitzen müsste – was Gott verhüten mag – dann will ich wenigstens souverän und einigermaßen sportlich mit ihm umgehen können.
Deshalb möchte frühmöglichst üben und nicht erst, wenn ich vielleicht nicht mehr kräftig genug dafür sein sollte. Ich sagte mir: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ 

Gesagt getan. Als ich aus der Reha zurück war, informierte ich mich, wo in Köln ein Rollikurs angeboten wurde. Leider erfolglos. Über die DMSG (Frau Esser) kam ich dann schließlich an mein Ziel: Noch mehr Rolli-Einsteiger und -Geübte zeigten Interesse an einem Rollitraining und eine Rolligruppe war in Planung. Zum Glück konnte dieser Kurs (Dank Frau Essers Einsatzes) größtenteils über die Gold-Krämer-Stiftung finanziert werden.

Für mich war klar: da mache ich mit ! Wenn nicht jetzt, wann dann?  

Und ich wurde nicht enttäuscht: Wir sind nun eine kleine MS-ler Gruppe. Jede und jeder bringt sehr interessante Krankheitsbewältigungserfahrungen mit. Ich erlebe viele Gemeinsamkeiten und höre von  unterschiedlichen Möglich-keiten mit MS zu leben. Außerdem bekomme ich viele Tipps und Insiderinformationen was Events oder Gruppenveranstaltungen angeht. Diese Rolligruppe passt in meinen neuen Lebensabschnitt.

Ein weiterer wichtiger Faktor für mich in dieser Gruppe ist: Ich fühle mich so normal. Ich werde weder bemitleidet noch in Watte gepackt. Jeder lässt mir ganz selbstverständlich  Raum zu versuchen, schwierige Bewegungsabläufe selbst zu bewältigen.
Genauso bekomme ich Hilfe und Tipps, wenn ich sie benötige. Ich muss nicht erklären, begründen, mich entschuldigen. Hier weiß jeder, von was ich spreche, wenn ich etwas nicht kann, wenn es mir mal nicht gut geht oder sogar gar nicht kommen kann. Jede/Jeder kann das nachvollziehen. Wir kennen solche Situationen ja alle. Hier wird ganz selbstverständlich damit umgegangen.
Diese Tatsache führt dazu, dass ich mich nicht verstellen muss, nicht so tun muss als wäre ich gesund, was wiederum dazu führt, dass ich mich im Rollisport entspannt und fröhlich fühle und wirklich viel Spaß habe! 

Außerdem haben wir auch noch das Glück, dass unsere Teamleiterin (Frau Isecke, früher Teilnehmerin bei den Para-Olympics)  selbst seit langem Querschnitt ist, und sie uns – als erfahrene Rollifahrerin – viele Tipps und professionelle Hilfen geben kann, z.B.:
- was ich beachten muss, wenn ich mir einen Rolli anschaffen will
- wie ich mir meinen Rolli ausrüsten lassen kann, damit er mir wie angegossen passt
- wie ich mit meinem Rolli im Alltag und im Sport geschickt umgehen kann usw.

Ihr zur Seite stehen regelmäßig zwei sehr engagierte und zugewandte Sportlehrerinnen, die sich, in Absprache mit unserer Kursleiterin, Spiele und Aufgaben für uns überlegen und durchführen. Somit sind wir immer gefordert uns anzustrengen, im Rollstuhl beweglicher und wendiger zu werden oder zu bleiben. Wir machen viele Rollisportspiele mit Bällen und Luftballons, Schlägern usw. und zu einigen Spielen bewegen wir uns auch zu Musik.

Zudem brauchen wir unsere StudentInnen als „Laufburschen“ bzw. “Laufmädchen“, die uns die Bälle, Ballons, Schläger usw., die uns immer mal wieder aus den Händen gleiten, einsammeln und zurückbringen. Je nachdem, welche Herausforderungen wir zu bewältigen haben oder wie es uns geht, bringen wir die beiden ganz schön auf  Trapp. So ist es nun mal .
Sowohl Konzentrations- und Sensibilitätsübungen, als auch Dehnungsübungen die in Aktionspausen stattfinden, finden in der Kurszeit ihren Raum.  

Wie zu lesen ist, ist hier alles sehr abwechslungsreich und lebendig. Ich bin richtig froh, dass ich in dieser Gruppe bin und mein Motto: “Wenn nicht jetzt, wann dann ?!“ sich sehr positiv ausgewirkt hat.